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2.8.2016 - Anette Tautz

BladeMaker - Hände für Fertigungsroboter kommen aus Bremen

Windenergie

Automatisierte und fehlerfreie Ablage der Glasgelege bei der Fertigung von Rotorblättern

Im Projekt BladeMaker arbeiten Wissenschaftler daran, die Fertigung von Flügeln für Windkraftanlagen zu automatisieren. Eine Forschungsgruppe am Bremer BIK (Institut für integrierte Produktentwicklung) übernimmt dabei die Entwicklung eines Roboterwerkzeugs, die man sich als Hände des Roboters vorstellen kann. Im Gespräch erläutern der Leiter der Arbeitsgruppe Diplomingenieur Jan Franke und sein Kollege Marvin Richrath das Projekt.


Herr Franke, welches Ziel verfolgt Ihre Arbeitsgruppe am BIK im Forschungsprojekt BladeMaker?


Jan Franke: Wir wollen innerhalb des Projekts annähernd alle Prozessschritte automatisieren, die zur Herstellung eines Rotorblatts nötig sind. Ein großer Anteil eines Rotorblatts besteht aus Glasfaser, und unsere Arbeitsgruppe ist an dieser Stelle gefragt, die Glasfasergelege automatisiert in das Rotorblattformwerkzeug zu bringen. Für die Handhabung mit Roboterwerkzeugen gibt es bereits verschiedene Ansätze aus vorherigen Projekten. Doch der Schritt, an dem wir aktuell arbeiten – mit Hilfe von Robotern direkt in die Form ablegen zu können – ist neu. Die Schwierigkeit ist, eine zweidimensionale Bahn in eine dreidimensional gekrümmte Form zu überführen.


Wie läuft die Rotorblattherstellung derzeit ab?

Marvin Richrath: Gerade die Umformung und Drapierung läuft derzeit noch in Handarbeit ab. Um das Glasfasergelege passgenau in die Oberfläche zu drapieren, werden dabei Hilfsmittel eingesetzt. Zum Beispiel werden von einigen Rotorblattherstellern einfache Bodenschrubber genutzt, um die Gelege an die Formoberfläche zu drücken. Rotorblatthersteller investieren bisher nicht in großem Stil in Automatisierung.

Jan Franke: Mit dem BladeMaker-Zentrum in Bremerhaven wollen wir zeigen, dass Automatisierung in diesem Bereich rentabel sein kann. Es ist dann für den Hersteller eine wirtschaftliche Frage, ob sich die Investition für solch eine Maschine lohnt, um später bei einer bestimmten Stückzahl kostengünstig produzieren zu können.


Wie verarbeitet der Roboter das Material?

Jan Franke: Bei kleineren Abschnitten, wie beispielsweise im Flanschbereich, läuft es nach dem Pick-and-Place-Verfahren. Das heißt, der Roboter nimmt ein flächiges Teil und legt es in der Form ab. Für die Blattschalen haben wir es jedoch mit großen Zuschnitten von bis zu 90 Metern Länge zu tun. Der lange Zuschnitt wird zunächst an einer Zuschnitteinheit erzeugt und muss zwischenzeitlich wieder aufgewickelt werden. Daher gibt es eine Art Materialspeicher im Effektor, dem Ablagewerkzeug des Roboters. Allein das Auf- und Abwickeln eines derart langen Zuschnittes ist eine Wissenschaft für sich.

Um die Lage des Zuschnitts im Effektor bestimmen zu können, gibt es im einfachsten Falle eine Lichtschranke oder eine Kante mit Sensoren. Damit erkennt das System, wann sich das Material an einer bestimmten Position innerhalb des Effektors befindet. Beim Abwickelvorgang läuft das Material zunächst zur Greifposition, und die im Effektor verbauten Drapierarme greifen das Material und führen es in eine ablagegerechte Position.

Wir haben insgesamt sieben Arme mit integrierten Greifern im Effektor. Wenn ein breiteres Stück bearbeitet wird, kann es sein, dass mehrere Arme zeitgleich im Eingriff sind. Die Drapierarme sollen möglichst den Anfang des Materialzuschnitts an die Formoberfläche andrücken. Dann muss der Greifmechanismus lösen, und der eigentliche Ablegeprozess beginnt. Der Roboter verfährt mit unserem Werkzeug entlang des Formwerkzeuges und die Drapierarme streichen das Ganze so in die Formoberfläche. Die Drapierarme vereinen also die beiden Funktionen Greifen und Drapieren. Das Material möglichst fehlerfrei in die 3D-Oberfläche zu überführen, ist die größte Herausforderung. Es wird vermutlich nötig sein, schon im Effektor eine Art Vordrapierung oder Vorumformung zu machen.

Auf welche Herausforderungen stoßen Sie bei der Entwicklung des Werkzeugs?

Marvin Richrath: Die Schwierigkeit ist vor allem die Handhabung des Materials, das sich sehr biegeweich verhält. Wenn man das Glasfasergelege an einer Ecke greift, hängt es von dort herab. Allein die Verformung aufgrund des Eigengewichts kann eine Verschiebung der ausgerichteten Faserlagen zur Folge haben. Wir wollen möglichst vermeiden, Einfluss auf das Material zu nehmen und dadurch Fehler in das Rotorblatt einzubauen. Die Arbeit mit dem Roboter soll dies gewährleisten.

Wir suchen einen Kompromiss zwischen dem, was das Material an Drapierung mitmachen kann und der Handhabbarkeit bei der Umformung. Je drapierbarer das Material wird, umso schwieriger wird es zu handhaben, um es überhaupt an den Ort zu legen, an dem man es für die Weiterverarbeitung braucht. Daher unterstützen wir mit BladeMaker auch eine weitere Materialentwicklung.


Was ist der Vorteil einer automatisierten Herstellung?

Jan Franke: Es geht vor allem um eine Kostensenkung. Doch auch den Qualitätsvorteil durch eine automatisierte Fertigung möchten Hersteller mitnehmen. Das bedeutet im Umkehrschluss wiederum: Kann ein Hersteller mit höherer Ablegegenauigkeit, das heißt, in höherer Qualität arbeiten, so kann er Material einsparen, und auch daraus ergibt sich erneut ein Kostensenkungspotenzial. Derzeit wird zur Sicherheit eher noch eine zusätzliche Glasfaserlage eingelegt, weil mögliche Falten oder Lücken oder dergleichen dies notwendig machen. Wenn man solche Fehler aber ausschließen kann, kann dort eine Lage weniger eingebracht werden, und der Hersteller spart so aufgrund der Fertigungsgenauigkeit Kosten.

Werden die Forschungsergebnisse auch kommerziell umgesetzt?

Marvin Richrath: Wir machen hier die grundlegende Forschung und entwickeln Prototypen. Doch jeder Maschinenentwickler dürfte die Anlagen zur Serienreife bringen können. Bisher fehlt jedoch ein Maschinenbauer, der diese Ideen aufgreift und sie für den Markt weiter entwickelt.


In welche weiteren Forschungsprojekte ist das BIK involviert?

Jan Franke: Es gab schon mehrere Vorgängerprojekte, wie beispielsweise das Verbundprojekt mapretec, die sich mit dem Thema Materialhandhabung im Bereich von Rotorblättern beschäftigt haben. Dadurch haben wir unser Know-how im Bereich der Handhabung aufgebaut. Wir sind beispielsweise in das aktuelle Projekt HyRoS  involviert. Dort geht es um die teilautomatisierte Fertigung der Nasenkante eines Rotorblattes.


Können Sie das Verfahren näher beschreiben?

Marvin Richrath: Beim Bau eines Rotorblatts wird eine Materialkombination aus Elastomer und Glasgelege verwendet und zusätzlich noch eine Heizfolie eingesetzt, um Erosionsschäden und Vereisung zu vermeiden.

Es geht hier vor allem um die Aerodynamik, auf die die Nasenkante einen großen Einfluss hat. Die Glasoberfläche ist sehr empfindlich gegen Steinschlag – wenn dort eine Erosion durch Abplatzungen oder Abrieb stattfindet, beeinflusst dies die Aerodynamik negativ. Genauso ist es mit Eis: Es verschlechtert die Aerodynamik der Rotorblätter erheblich und mindert so den Ertrag. Indem das Rotorblatt erwärmt werden kann, soll die Eisbildung gemindert werden.


Lassen sich Ihre Erkenntnisse auch auf andere Einsatzgebiete übertragen?

Marvin Richrath: Die Prozesschritte im Formenbau sind sehr ähnlich wie beim Bau von Rotorblättern, daher ist es denkbar, diese Werkzeuge auch für den Formenbau einzusetzen.

Wieviele Projektpartner sind in das BladeMaker-Projekt involviert?

Jan Franke: 15 Projektpartner unter der Leitung des Fraunhofer IWES sind in das BladeMaker-Projekt, das bis September 2017 läuft, eingebunden. Drei weitere Bremer Projektpartner forschen an ergänzenden Themen, die für die Rotorblattherstellung wesentlich sind: Das Faserinstitut Bremen e.V. (FIBRE) an den Simulationen zur Harzeinbringung beim Vakuuminfusionsverfahren, das Fraunhofer IFAM  an den Kleberaupen, der Klebstoffmenge und -verteilung für das Zusammenfügen der Rotorblattschalen und die fibretech composites GmbH an neuen Prozessen zur Herstellung der Rotorblattformwerkzeuge.


Welche Projektschritte stehen noch aus?

Jan Franke: Unsere Arbeitsgruppe am BIK möchte natürlich auch an der echten Form testen. Wenn die ersten Ergebnisse vorliegen, werden wir sicherlich viel Arbeit mit nach Hause bekommen. Für die weitere Projektlaufzeit ist geplant, den Entwicklungsstand noch einmal zu überarbeiten. Wir werden überprüfen, ob wir auf dem richtigen Weg sind, oder noch Dinge anpassen müssen. Auf diese Weise werden unsere Ergebnisse noch einmal optimiert.

Herr Franke und Herr Richrath, vielen Dank für das Gespräch!



Mehr zum Thema erfahren Sie bei Dipl.-Ing. Jan Franke, Institut für integrierte Produktentwicklung, Universität Bremen, Badgasteiner Straße 1, 28359 Bremen, T +49 (0)421 218 64876, j.franke@uni.bremen.de


Mehr zum Thema Windenergie erfahren Sie hier oder bei Dieter Voß, Clustermanager Windenergie, T +49 (0) 421 361-32175, dieter.voss@wah.bremen.de

oder bei Dr. Detlef Pukrop, Innovationsmanager Umweltwirtschaft, T +49 (0) 421 9600-346, detlef.pukrop@bab-bremen.de

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