Monopiles vibrieren und nicht rammen – Tests zum Nachweis der Tragfähigkeit
WindenergieDie Bremer Firma GEO-ENGINEERING führt dynamische Pfahlprobebelastungen durch
Beim Bau von Windparks werden Pfähle in den Boden eingebracht, die dann als Fundament für die Aufbauten dienen – für Windräder oder Plattformen. Beim Einrammen der Pfähle in den Untergrund treten Kräfte auf, die einerseits auf den Pfahl selbst wirken, zum anderen aber die Bodenstruktur verändern. Für den Betrieb der Windkraftanlagen ist es wesentlich, Tragfähigkeit und Lebensdauer der Teile zu kennen. Die Bremer Firma GEO-ENGINEERING.org GmbH hat ein Verfahren entwickelt, diese zu bestimmen. Im Gespräch erläutern Professor Tobias Mörz und Diplom-Ingenieur Benjamin Ossig die Neuartigkeit der Methode – und was sie außerdem erforschen.
Was genau messen Sie mit Ihrem Verfahren bei GEO-ENGINEERING?
Benjamin Ossig: Wir verkabeln die Pfähle – das ist eine Art „Spinnenarbeit“. Während der Installation der Pfähle messen wir die Beschleunigung und die Pfahlkopfverformung und leiten daraus die Tragfähigkeit der Pfähle ab.
Professor Tobias Mörz: Das Verfahren nutzt die Verformungswellen, die durch den Pfahl laufen. Auch die Interaktion am Boden erfahren wir und können dadurch ein schichtspezifisches Tragfähigkeitsmodell aufbauen.
Warum sind diese Untersuchungen wichtig?
Benjamin Ossig: Mit jedem Schlag, den Sie zum Einrammen ausführen, wird die Lebensdauer des Pfahls reduziert. Man kann sich das so vorstellen: Wenn Sie eine Büroklammer haben und diese immer wieder knicken, bricht sie irgendwann ab. So ähnlich verhält es sich mit diesen Pfählen auch: mit jedem Rammschlag nimmt die Lebensdauer ab – der Hammer, den man zum Einrammen verwendet, wiegt etwa 230 Tonnen.
Es gibt jedoch auch eine andere Methode, den Pfahl einzubringen, nämlich die Vibration. Dadurch, dass Sie den Pfahl vibrieren, haben Sie während des Installationsprozesses deutlich geringere Spannungen. Dadurch wird die Lebensdauer geringer angegriffen.
Für welche Firmen sind die gewonnenen Daten interessant?
Professor Tobias Mörz: Seit der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes müssen Betreiber sich für Projekte bewerben. Dadurch ist jenes Konsortium kalkulatorisch im Vorteil, das Wege findet, um Stahl einzusparen, die Umwelt möglichst wenig zu schädigen und das den Windpark in kürzerer Zeit realisieren kann. Wir freuen uns über das große Interesse, das unsere Arbeit an dieser Stelle findet.
Benjamin Ossig: Bei der Planung des Pfahldesigns wurde berechnet, wie viel Last jeder einzelne Pfahl aufnehmen kann. Nach der DIN-Norm muss über einen Feldtest die Tragfähigkeit nachgewiesen werden. Bei unserer Auswertung müssen wir entsprechend darlegen, dass die angesetzte Tragfähigkeit auch erreicht wird. Falls das nicht gelingt, kann es Auflagen von der Behörde geben: dass zum Beispiel Helikopter nicht auf dem Helideck landen oder die Tanks nicht befüllt werden dürfen. Generell müssen die Lasten des Bauwerks reduziert werden, weil die Pfähle sie nicht tragen.
Das klingt sehr anwendungsbezogen. Was hat das mit Ihrer Forschung am Marum zu tun?
Professor Tobias Mörz: Die Pfähle zu schlagen ist im Offshore-Bereich die Methode der Wahl. Von Forschungsseite interessieren wir uns dafür, Prognosen für vibrierend eingebrachte Pfähle zu machen. Das Thema bearbeiten wir in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut IWES: Wie kann man aus den Verformungen während des vibrierten Einbringens und der Krafteinleitungen zu einer Prognose über die Tragfähigkeit kommen?
Unserer Meinung nach gehört der Methode der vibrierend eingebrachten Pfähle die Zukunft. Sie ist auch deshalb sinnvoll, weil das Einvibrieren bedeutend weniger Schallimmissionen in die Meeresumwelt entlässt. Die Schweinswale werden beispielsweise nicht so stark in ihrem Habitat gestört wie durch das Impulsrammverfahren. Das Vibrationsverfahren ist schneller und stört die Umwelt weniger. Doch das Verfahren verändert den Boden stärker als das Einrammen. Der Boden erholt sich aber nach einer gewissen Zeit wieder – genau diese Prozesse erforschen wir am Marum.
Inwiefern verändert das Installieren der Pfähle den Boden?
Benjamin Ossig: Beim Installationsprozess werden die Bodenwiderstände durch das Eindringungsverfahren stark herabgesetzt. Bei den ersten Schlägen baut sich zunächst ein Widerstand vom Boden auf, doch ab einem bestimmten Zeitpunkt ist der Boden während des Rammprozesses so erschöpft, dass nur noch Restwiderstände auftreten. Dadurch dass der Pfahl nach der Installation dann in Ruhe steht, „regeneriert“ sich der Boden sozusagen. Nach einer gewissen Standzeit wächst die Tragfähigkeit des Pfahls wieder an.
Wenn wir bei der Behörde einen Nachweis über die Tragfestigkeit erbringen, geben wir auch eine Prognose zu diesem Anwachseffekt ab. Dies geschieht, indem wir den Hammer nach einer gewissen Standzeit wieder auf den Pfahl ansetzen, noch einmal draufschlagen und untersuchen, wie groß die Widerstände jetzt sind. Im Vergleich zu den Widerständen direkt nach der Installation können wir dann den Anwachseffekt prognostizieren.
Professor Mörz: Unsere Kenntnisse über die Prozesse entsprechen dem Stand von Wissenschaft und Forschung – da setzen wir im Projekt an. Wir besetzen eine Schnittstelle zwischen Erd- und Ingenieurwissenschaften: Unsere Ingenieure beobachten und messen einerseits den Prozess. Beim Marum kommen wir dann von der Boden-Seite und untersuchen: Was macht der Boden eigentlich? Wir haben über 1000 Meter Bodentests in einer räumlichen und zeitlichen Matrize um die Pfähle herum gefahren. Uns interessiert, was da eigentlich passiert. Es ist spannend, dieses Erholen des Bodens zu beschreiben und zu erklären.
In welchen Projekten engagieren Sie sich derzeit?
Professor Mörz: Gerade haben wir ein Förderprojekt abgeschlossen, bei dem GEO-ENGINEERING zusammen mit Fraunhofer IWES gemessen hat: Das Dynapile-Projekt in Altenwalde bei Cuxhaven, das auf dem Testgelände des Vibro-Pfahl-Projekts durchgeführt wurde. Ein internationales Konsortium um die RWE AG war hier tätig. Die WFB hat unser Projekt durch ihr PFAU-Programm (Programm zur Förderung anwendungsnaher Umwelttechniken) gefördert. Durch den Innovationssprung wurde unser Verfahren dann auch für einen großen BMWi-Antrag förderfähig. Dieser konnte als Folgeantrag gestellt werden und war erfolgreich: 2015 konnten wir damit in Bremen starten.
Herr Professor Mörz und Herr Ossig, vielen Dank für das Gespräch!
Mehr zum Thema erfahren Sie bei Prof. Dr. Tobias Mörz, Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, T +49 (0)421 218 65840, tmoerz@unibremen.de
und bei Benjamin Ossig, GEO-ENGINEERING.org GmbH, +49 (0)421-69697786, benjamin.ossig@geo-engineering.org
Mehr zum Thema Windenergie erfahren Sie hier
oder bei Dieter Voß, Clustermanager Windenergie, T +49 (0) 421 361-32175, dieter.voss@wah.bremen.de
oder bei Dr. Detlef Pukrop, Innovationsmanager Umweltwirtschaft, T +49 (0) 421 9600-346, detlef.pukrop@bab-bremen.de
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