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18.4.2016 - Corinna Laubach

Windenergie-Start-up evoblade: Angewandte Forschung und Gründergene

Windenergie

Mit Luftströmen kennt Dr.-Ing. Frank Kortenstedde sich bestens aus. Er hat Maschinenbau mit dem Schwerpunkt Luft- und Raumfahrttechnik an der Hochschule Bremen studiert und zum Rotorblatt an der TU Clausthal promoviert. Innerhalb der Dissertation hat der 44-Jährige erste Ansätze für ein innovatives Strömungselement entwickelt, das mittlerweile Kern des Start-ups evoblade ist. Seit 2014 feilt er mit drei weiteren Mitstreitern an der Unternehmensidee. Das Produkt, mit dem die Ingenieure im kommenden Jahr in den Markt gehen wollen, ist ein neuartiges, herstellerunabhängiges Strömungselement: „SplitFlap“, kurz SF. Aktuell wird es wissenschaftlich auf Herz und Nieren geprüft und bei der Deutschen Windtechnik AG getestet. Preiswürdig war es bereits: Beim Campus-Ideenwettbewerb „Smart Tech Trophy 2015“ machte es den zweiten Platz.

Zugegeben, für Laien sieht das relativ unspektakulär aus, was Kortenstedde vor sich auf dem Tisch aufgebaut hat. Seine Zukunft ist ein durchaus formschönes, gräuliches Bauteil. Aus glasfaserverstärktem Kunststoff wie die Rotorblätter selber, erläutert Kortenstedde. Genau dieses unscheinbare Strömungselement könnte die Windenergieerzeugung revolutionieren. Vier Jahre nach der Einreichung konnte er 2015 das Patent darauf in den Händen halten; Besitzer ist indes die Deutsche Windtechnik, bei der das Element in der Erprobung ist. Noch bis Februar 2017 läuft die Weiterentwicklung und Optimierung der „SplitFlap“. „Wir stehen kurz vor dem ersten Meilenstein“, sagt der Gründer und meint die Analyse des Rotorblattes für die Anlage. Bislang stimmen ihn alle Simulationen hoch zufrieden. „Bereits mit dem ersten Prototypen konnten wir aufzeigen, dass die periodische Abströmung reduziert und ein Mehrertrag an Energie gewonnen wird.“ Da waren es 1,5 Prozent mehr. Betreiber werden ab drei Prozent hellhörig, weiß Kortenstedde und stellt sich auf gespitzte Ohren ein: In neuen Simulationen habe man diese Schwelle bereits überschritten. Angepeilt sind jetzt mehr als fünf Prozent.


Ohne IT geht nichts

Ein Tüftler in der sagenumwobenen Bastlergarage ist Frank Kortenstedde nicht. Ohne seinen Computer ist der Ingenieur aufgeschmissen. „Die Arbeit ist hochgradig IT-basiert und systematisch“, erklärt er. Es werden komplexe Standardprogramme angewandt, für die man ein ausgewiesenes Know-how braucht. „Unser Ziel ist ein gutes Ergebnis“, sagt er simpel zu der hochtechnologisierten Entwicklung, die immer dem Vergleich mit der Realität standhalten muss. Beispielsweise über die Forschungswindanlage DEBRA 25, einem Modell aus den 80er Jahren. Für Frank Kortenstedde hochinteressant, da alle Rotorblätter und Profile bekannt seien. Ob die im Computer berechneten Strömungen realistisch sind, das wird zudem auch in Windkanalexperimenten überprüft werden.

Retrofitting: Nische mit großem Potenzial

Der Weg in den Markt ist ein weiter. Seit 2009 ist das Strömungselement in der projektbasierten Entwicklung und Testung. Schwachstellen beheben, das Maximum herausholen, eine Herausforderung. Frank Kortenstedde – ein unkomplizierter, bodenständiger Typ in Jeans, Pulli und Turnschuhen – weiß genau, wohin er mit der „SplitFlap“ will: Retrofitting heißt seine Nische und die ist durchaus lukrativ. Für ihn als Entwickler und auch für die Betreiber. Sein Fokus liegt auf dem Onshore-Feld. Nach Repowering wende sich die Branche langsam dem Retrofitting, dem Verbessern alter Anlagen, zu. Allein in Norddeutschland würden geschätzt gut 6.000 Alt-Anlagen dafür infrage kommen. Auf der „Husum Wind“ konnte er im vergangenen Jahr erste wertvolle Kontakte knüpfen, derzeit sucht er nach Referenzkunden. Das Interesse ist durchaus da. „Alte Anlagen können von der SplitFlap profitieren und weiter rentabel produzieren.“ Entscheidet sich ein Betreiber für die Montage des Strömungselementes, dann habe er nicht nur eine hohe, qualitative Verbindung von Blatt und Strömungselement, sondern auch ein Retrofit, das die Lebensdauer der gesamten Anlage hält. Die „SplitFlap“ ist nicht ein aufgesetztes Bauteil, sondern wird anlaminiert und umfasst gut 60 Prozent der Rotorblattlänge ab dessen Wurzel. Innerhalb einer Woche soll die Montage realisiert werden.

Brutkasten für die Reife

In der Forschung war und ist Frank Kortenstedde alles andere als unglücklich, bezeichnet die Hochschule Bremen und das Institut für Aerospace-Technologie (IAT) gar als „ein Zuhause“ und doch treibt ihn der Wunsch, mehr zu bewegen, selber zu entwickeln und ins Risiko zu gehen in die Selbstständigkeit. Noch ist diese partiell. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Wind Turbines Department hat er einen unbefristeten Vertrag. Auch dort beschäftigt er sich mit dem Themenfeld Aerodynamik. Hat man an der Hochschule keine Angst, dass er dort erworbenes Wissen für seine eigene Firma nutze? Im Gegenteil, erläutert Kortenstedde. Der Institutsleiter unterstütze ihn sehr und setze langfristig auf Synergien.

Ich habe mir den gesamten Prozess der Selbstständigkeit leichter vorgestellt, aber Hürden muss man sportlich nehmen.

Praxisnahe Unterstützung holt sich der Jungunternehmer zudem über das Gründercoachingprogramm BRUT der BAB - Die Förderbank für Bremen und Bremerhaven. "Trotz meines Masterstudiums 'Industrial Engineering' hilft es mir als Techniker immens, die betriebswirtschaftlichen Grundlagen zu vertiefen und bei dem Erarbeiten des Businessplans.“ Hinzu kommt das neue „kraftwerk - city accelerator bremen“. In der dritten Etage im einstigen Postamt 5 am Hauptbahnhof teilt er sich mit sechs Start Ups eine große Halle. Dort können sich Gründer austauschen und der Ingenieur weiter mit seinem Team an der Marktreife der „SplitFlap“ arbeiten.


Weitere Informationen zum Thema Windenergie gibt es bei Dieter Voß, Tel.: 0421 361-32175, dieter.voss@wah.bremen.de

Weitere Informationen zur Windenergiebranche in Bremen und zu den Services der WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH finden Sie hier.

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