Windrad selbst bauen – wie Windkraftanlagen von Horst Crome die Welt mit Windenergie versorgen
WindenergieWindkraftanlagen selbst bauen mit dem KUKATE-Konzept
Windkraftanlagen selbst bauen - das ist möglich! Eine Bauanleitung, um kleine Windräder für die Stromgewinnung zu konstruieren, liefert der Bremer Professor Horst Crome. Seine Erfindungen stehen auf der ganzen Welt und produzieren dort Strom und fördern Wasser mittels Windkraft. Über seine Webseite vertreibt er auch Bauanleitungen für den Eigenbau.
Crome konstruierte den ersten Rotorflügel für den Windkraftgiganten Enercon. Er war Versuchsflugingenieur im ersten Airbus A300. Er fuhr zur See und bildete Generationen an Bremer Berufsschul- und Physiklehrer:innen aus. Und er entwarf eine tausendfach gebaute Windkraftanlage, die abgelegene Regionen weltweit mit Energie versorgt. Heute sieht man Horst Crome seine 75 Jahre nicht an - seine Begeisterung und eine Leidenschaft für den Wind dringen hingegen aus jeder Körperzelle.
Geweckt wurde sie im Zuge der Anti-Atomkraftbewegung in den 1980er Jahren. „Wir haben damals bei fossiler und nuklearer Stromerzeugung von Sackgassenenergien gesprochen“, erinnert sich Crome heute. Als studierter Physiker und Maschinenbauer wollte er Lehramtsstudierenden und Schüler:innen eine Alternative in den regenerativen Energien aufzeigen.
KUKATE - Windkraft zum Selbstbauen
Der Rest ist sozusagen Geschichte. Auf dem Weg nach Dänemark entdeckte er 1980 in Schleswig-Holstein eine Windenergieanlage, die an die Windräder aus den us-amerikanischen Western erinnerte. Einfach konstruiert war die robuste Anlage schon seit Jahrzehnten in Betrieb. Die Neugier war geweckt. Auf dieser Grundlage entwickelte er eine einfache und wartungsarme Windkraftanlage, deren Prototyp auf dem Werkhof Kukate im niedersächsischen Wendland erstmals errichtet wurde und so ihren Namen erhielt.
Tausendfach weltweit erprobt - Windräder einfach selbst aufgebaut
Aus dem Prototypen ist heute eine tausendfach bewährte Anlagenreihe geworden. Für verschiedene Größen bis sieben Meter Rotordurchmesser entworfen, drehen sich KUKATE-Anlagen heute in aller Welt. Viele davon in armen und abgelegenen Gegenden. Alle Bauteile lassen sich mit handwerklichem Wissen um Metallbearbeitung herstellen und zusammensetzen und erfordern keine Spezialwerkzeuge. Die maximale Windausbeute im Jahr beträgt bis zu 5.000 kWh – genug um in Deutschland ein großes Einfamilienhaus für ein Jahr zu versorgen. Oder eine leistungsfähige Wasserpumpe zu betreiben.
Durch die ausgeklügelte Konstruktion sind auch die Wartung und der Betrieb einfach. Die Anlage dreht sich selbstständig bei zu starkem Sturm aus der Windrichtung und hält so auch Orkanen stand. Auch die Wartung kann jede und jeder selbst ausführen.
Grundlegende handwerkliche Kenntnisse reichen für den Bau einer Windkraftanlage
Das komplexeste Teil – der Flügel – wurde früher aus einem Aluminium-Profil hergestellt. 6500 davon wurden in alle Welt geschickt. „Wegen des oft teuren und schwierigen Exportes dieser Flügel in manche Zielländer werden heute Rotorblätter aus genau gebogenen Blechen verwendet. Deren Leistung ist genauso hoch im Vergleich zum Originalprofil, wenn man den Rotordurchmesser nur um 10 Prozent vergrößert. Sie können einfach vor Ort selbst hergestellt werden“, so der Professor.
Die Bauteile bestehen aus herkömmlichen Materialien wie Stahlprofilen -rohren und -blechen, Stehlagern und Schrauben. Sie lassen sich mit grundlegenden Kenntnissen der Metallbearbeitung wie Schweißen, Sägen und Bohren, zusammensetzen. Jedes Bauteil kann dabei von Menschen gehoben werden, Kräne oder Hubvorrichtungen sind nicht notwendig.
Zudem bietet Horst Crome in seinen Handbüchern bzw. auf seiner Webseite grundlegende Hinweise, welches weiteres Wissen zum Betrieb und Aufstellung der Anlage nötig ist. Denn Windkraftanlagen-Selbstbauer:innen in Deutschland müssen einige Regeln und Gesetze befolgen, wenn sie ihr Windrad korrekt aufstellen wollen. Auch beim Anschluss eines Generators und der Erzeugung von Strom ist Fachexpertise nötig.
Energie für alle – erschwinglich durch Eigenbau
Diese Vielseitigkeit macht den Erfolg von KUKATE aus. Jede und jeder mit metallhandwerklichen Grundkenntnissen kann selbst ein Windrad bauen. Die Kosten sind gering: Mit seinem Buch „Handbuch Windenergietechnik“ hat Crome eines der Standardwerke zu Kleinwindkraftanlagen geschrieben, das in viele Sprachen übersetzt wurde. Frei erwerbbare Computerprogramme helfen beim Selbstbau. Eine Anlage entsteht so mit minimalen Mitteln, auch, weil die Patente frei verfügbar sind.
Auf der Webseite open-windmill bietet Crome zudem kostenlose Bauanleitungen für den Typ KUKATE 34 mit einem Rotordurchmesser von 3,4 Metern und einer Masthöhe von bis zu zehn Metern. Sie sind optimiert für den Bau in Entwicklungsländern.
Hilfe zur Selbsthilfe, die möchte Horst Crome geben. „Von Menschenhand zu transportieren und aufzustellen, keine störanfällige Elektronik und Hydraulik, robust und widerstandsfähig gegen Sturm und Hagel, darum geht es beim KUKATE-Konzept. Die Windräder sollen Energie günstig und nachhaltig für jeden verfügbar machen“.
Freude am Lehren
Andere zu begeistern und anzuleiten, diese Leidenschaft begleitet Crome sein Leben lang. Noch als junger Physiker in der Industrie erhielt er von der Bremer Schulbehörde in den 80er Jahren das Angebot, sein Wissen als Lehrer, Ausbilder und später Professor weiterzugeben – und schlug zu. Mit seinem von dem damaligen Senator für Arbeit geförderten Testfeld für Kleinwindkraftanlagen im Werderland baute er in den 1980er Jahren einen der Grundsteine der heutigen Bremer Windenergiebranche und -forschung auf. In vielen Studien- und Examensarbeiten verbesserten Studierende das KUKATE-Konzept stetig. Eine weitere Grundlage für den Erfolg der Anlage. „Wenn man 30 Jahre ein Konzept verfolgt, dann ist es irgendwann perfekt“, sagt Crome lachend. Eines wird deutlich: Der Erfolg ist nicht allein sein Verdienst, sondern dessen vieler schlauer Köpfe, die Crome ausgebildet hat. Gemeinsam schafft man mehr.
Globale Probleme im Blick
Ans Aufhören denkt der 75-jährige noch lange nicht. An der Hochschule betreut er nach wie vor Bachelor- und Masterarbeiten und tauscht sich mit Fachkolleg:innen aus.
Sein ganzes Herz gilt aber „Open Windmill“. Das Projekt des gemeinnützigen Vereins „Green Desert“ hat es sich zum Ziel gesetzt, einfache aber wirkungsvolle Anleitungen für Kleinwindkraftanlagen mit angeschlossener Wasserpumpe zu konstruieren und diese Pläne danach kostenlos zur Verfügung zu stellen. Zentrum der Vereinstätigkeiten ist das Büro im Bremer Innovations- und Technologiezentrum BITZ direkt neben der Universität.
Von den Aufrisszeichnungen aller Bauteile bis zur Schritt-für-Schritt-Foto- und Filmdokumentation sind alle Informationen frei verfügbar und sollen in mehreren Sprachen übersetzt werden.
Organisationen der Entwicklungshilfe oder engagierte Menschen in Dritte-Welt-Ländern können so ihre Wasserversorgung mit Mitteln vor Ort verbessern. „Es bringt nichts, Hochtechnologie in entlegene Regionen zu bringen, die dort schnell ausfällt, wenn ein kompliziertes Teil versagt. Was dort gebraucht wird, ist Technologie auf dem Niveau von Landmaschinentechnik, ausgefeilt, effizient und gleichzeitig robust und wartungsarm. Windkraft stößt dort auf hohe Akzeptanz, sie ist greifbar und leicht erklärbar“, so Crome.
Der erste Prototyp wurde in Sommercamps von Freiwilligen gebaut und durch den Entwicklungshilfeverein „BeLu Ugandahilfe e.V.“ im Emsland erfolgreich erprobt. Jetzt ist das Material zum Bau von zwei Windpumpen auf dem Weg nach Uganda. Dort sollen vor Ort zwei Anlagen im Bereich Beruflicher Bildung nur mithilfe der Anleitungen gebaut werden.
Auch privat lässt Crome der Wind nicht los: Als begeisterter Hobbysegler ist er im Sommer auf Seen und Meeren unterwegs. „Der Wind, das ist meine Lebensaufgabe, ich möchte Unsichtbares sichtbar machen und die Achtung vor der Naturgewalt Wind heben“, erzählt er mit Blick auf sein Lebenswerk.
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