Wo sich Tiefsee und Weltall begegnen
Maritime Wirtschaft und LogistikDie Helmholtz-Allianz ROBEX erprobt Roboter für den Weltraum und die Tiefsee
TRAMPER ist ein werkzeugkastengroßer, gelber Roboter mit Raupenantrieb. Er führt derzeit ein recht einsames Leben: In 2.500 Metern Tiefe, mehr als 100 Kilometer vor der Küste Spitzbergens, erforscht er tapfer das unwirtliche Nordpolarmeer.
Ein Jahr dauert seine Mission, bevor das Forschungsschiff „Polarstern“ ihn Ende August 2017 wieder an die Oberfläche holt. In dieser Zeit wird er rund 800 Meter auf seinen Gummiraupen zurückgelegt haben. Er ist weltweit der erste Roboter, der autonom die Tiefsee unter dem polaren Wintereis erforschen kann. „Wir sind gespannt auf die Untersuchungsergebnisse – wir hatten ein Jahr keinen Kontakt“, erläutert Martina Wilde, wissenschaftliche Koordinatorin im Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung am Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven. Sie klingt dabei ein wenig nach einer Mutter, die ihren Sohn das erste Mal ins Ferienlager geschickt hat. Von TRAMPER des AWI erhofft sich das Wissenschaftsteam rund um Wilde neben einem technischen Erfolg auch Erkenntnisse über den Sauerstoffgehalt der Sedimente und damit über das Leben in der Tiefsee unter dem Eis.
TRAMPER und seine Mitrobotergenossen
TRAMPER gehört zu einer ganzen Roboterflotte, die in der „ROBEX-Allianz“ entstand. ROBEX steht für „Robotische Exploration unter Extrembedingungen“. Das Forschungsprojekt findet im Spätsommer 2017 mit der Spitzbergenexpedition auf dem Forschungsschiff Polarstern nach fünf Jahren seinen krönenden Abschluss. Als sogenannte Helmholtz-Allianz haben 16 über ganz Deutschland verteilte Institutionen seit 2012 gemeinsam neue robotische Technologien für die Tiefsee und den Weltraum entwickelt. Dabei waren sowohl Meeresforschungs- als auch Raumfahrtinstitute beteiligt.
Die Zusammenarbeit war ein Novum für die 120 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Denn normalerweise arbeiten die Disziplinen eher für sich. „Uns hat die Ähnlichkeit der robotischen Technologien und ein knappes Forschungsbudget zusammengebracht, im Nachhinein ein wertvoller Zufall“, so Wilde. Die Astrophysikerin forschte lange Jahre am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrtforschung (DLR) in Köln, bevor sie die Projektkoordination von ROBEX übernahm. Ihr persönliches Fazit steht schon vor Abschluss der letzten Mission fest: „Ohne ROBEX hätten wir es niemals geschafft, in den fünf Jahren so viele und verschiedenartige neue Roboter gemeinsam zu bauen und zu testen. Wir haben wirkliche Fortschritte gemacht.“
Weltall und Tiefsee: grundverschieden und doch ähnlich
Dunkel, schwer erreichbar und nicht für den Menschen gemacht: Die Tiefsee und das Weltall haben vieles gemeinsam. Doch die jeweiligen Forschungsdisziplinen arbeiten unterschiedlich, wie die Wissenschaftler beim Projektbeginn schnell feststellen mussten. „Die Raumfahrt hat lange Entwicklungsphasen von 10 bis 15 Jahren, Forscher schreiben viele theoretische Konzepte. In der Tiefseeforschung geht alles schneller und pragmatischer. Wir haben anfangs nur wenige Verbindungen für das gemeinsame Arbeiten gefunden“, erzählt Wilde rückblickend.
Der Durchbruch kam erst Monate später. Die Forscherinnen und Forscher teilten sich in sogenannte Designteams auf, die jeweils Teilprojekte übernahmen. In jedem Designteam saßen Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus beiden Disziplinen – gezwungen zusammenzuarbeiten, entstand schnell eine echte Kooperation. Und die kann sich sehen lassen: Vier Raumfahrtsysteme und sechs Tiefseeroboter entstanden während des fünfjährigen Projekts. Neben Tramper gehören dazu etwa ein Unterwassergleiter oder autonome Rover für Missionen auf anderen Planeten.
Mit Robotern auf den Ätna
Um letztere zu testen, reiste ein Team im Juni 2017 auf den Ätna. Die karge, schwarze und lebensfeindliche Vulkanlandschaft ähnelt der Mondoberfläche – ein idealer Sandkasten für das Robotertesten. 50 Robexler mitsamt Ausrüstung schlugen für eine Woche ihr Lager auf 2600 Metern Höhe auf und prüften dort einen Lander und zwei Rover auf Herz und Nieren. „Der Ausflug war ein voller Erfolg, wie auch das gesamte Projekt. Insgesamt haben beide Disziplinen voneinander profitiert“, zieht Wilde Bilanz, „für die Tiefsee sind autonome Roboter völlig neu, bisher wurden sie per Kabel gesteuert. Und die Raumfahrt kann von den kürzeren Projektzyklen in der Meeresforschung lernen.“
Höhen und Tiefen durchleben
Von 2600 Metern in der Höhe bis 2500 Metern in die Tiefe – auch für Wilde selbst ist das Projekt ein Abenteuer. Nach der Ätnamission im Juni steht im August die Fahrt mit der Polarstern in die Arktis an. „Ich war noch nie so weit weg von jeder Zivilisation – und hoffe, dass alles gut geht“, gesteht sie lachend im Vorfeld. An Bord schreibt sie einen Blog und wartet gespannt auf das Auftauchen von Tramper. Sie schwärmt aber nicht nur für den einsamen Tauchroboter: Zu ihren Lieblingsrobotern gehört auch der elegante Unterwassergleiter “Glider” des MARUM, der große Meeresbereiche sensorisch erfassen kann.
Starker Bremer Beitrag
Wilde arbeitet in Bremerhaven – am passenden Ort für ein derart interdisziplinäres Projekt. Denn in Bremen und Bremerhaven sitzen viele der Projektpartner von ROBEX. Zu ihnen gehören das AWI, das Marum, das DLR, die Universität Bremen, die Jacobs University, Airbus und das DFKI. „Bremen bringt beide Welten zusammen, die Raumfahrt und die Tiefsee, das ist ein enormer Standortvorteil“, sagt Wilde.
Für eine Zukunft haben sie und ihr Team auch schon gesorgt: Nach Abschluss von ROBEX geht es mit dem Projekt „ARCHES“ weiter, das ausgewählte Technologien weiterentwickelt. Und auch TRAMPER wird dann wieder unterwegs sein für eine weitere einjährige Mission unter dem Eis. Wenn alles gut geht, bald auch mit robotischer Gesellschaft: An Bord der Polarstern reist ein zweiter Crawler namens „NOMAD“ mit, der in den Gewässern um Spitzbergen seine ersten Unterwasserausflüge unternimmt. Eines Tages erforscht er, wie sein älterer Bruder, autonom den Ozean.
Einige der Tauchroboter der Mission wurden in der Maritimen Explorationshalle des DFKI erprobt, mehr dazu in unserem Artikel: “Roboter lernen schwimmen”
Weitere Informationen zum Maritimen Cluster Norddeutschland erhalten Sie bei Andreas Born, Innovationsmanager Maritimes Cluster Norddeutschland und Industrie 4.0, T +49 (0) 421 9600-316, andreas.born@maritimes-cluster.de Weitere Informationen zur Maritimen Wirtschaft/Logistik in Bremen und zu den Services der WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH.
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