„Bremen hat alles, was ein Raumfahrtstandort braucht“
Luft- und RaumfahrtInterview mit Dr. Peter Vits, Bremer Landeskoordinator für Raumfahrt
Im Dezember 2016 treffen sich die zuständigen Minister der ESA-Mitgliedsstaaten in Luzern, um die Schwerpunkte der europäischen Raumfahrt für die kommende Jahre zu bestimmen. Im Vorfeld haben die drei Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern und Bremen gemeinsam Empfehlungen erarbeitet, die Bremer Interessen wurden dabei vom Landeskoordinator Dr. Peter Vits vertreten. Im Interview erläutert er, welche Stärken und Chancen er für Bremen sieht.
Wo setzt das gemeinsame Positionspapier zur ESA-Ministerratskonferenz 2016 an?
2014 haben die ESA-Staaten beschlossen, die Ariane 6 zu entwickeln und zu bauen und die ISS bis 2020 zu betreiben. Das waren richtungsweisende Entscheidungen zugunsten eines unabhängigen europäischen Zugangs zum All und zur astronautischen Raumfahrt. Diese Entscheidungen sind die Basis für den Erhalt und Ausbau von Arbeitsplätzen sowie die Weiterentwicklung der technologischen Kompetenzen auch am Standort Bremen. An beiden Entscheidungen sollte auch in Zukunft unbedingt festgehalten werden.
Welche Empfehlungen spricht Bremen zusammen mit Bayern und Baden-Württemberg für die Konferenz aus?
Alle Partner der ISS mit Ausnahme Europas haben eine Fortsetzung des ISS-Betriebs bis 2024 beschlossen, auch Deutschland und Europa sollten längerfristige Zusagen machen als immer nur für zwei Jahre. Im Bereich der Trägerraketen geht es um eine konsequente Umsetzung der Beschlüsse von 2014, zudem sollte eine enge technologische Verknüpfung von Ariane 6 und Vega zu einer verstärkten deutschen Vega-Beteiligung führen. Für Bremen und für die Airbus Safran Launcher GmbH geht es dabei um die Festigung und den Ausbau der Oberstufen-Verantwortung am Standort. Gleichzeitig empfehlen wir, den Schwerpunkt stärker auf neue kreative und innovative Anwendungen von Satelliten in den Bereichen Navigation, Telekommunikation und Erdbeobachtung zu legen. Das könnten Satelliten sein, die Erdbeobachtung mit Anwendungen für die maritime Wirtschaft oder Logistik verbinden wie zum Beispiel Hafensicherheit oder Küstenschutz. Da sehe ich ein großes Potenzial.
Was könnte das konkret für Bremen bedeuten?
Bremer Unternehmen oder Institute könnten diese Entwicklungen in Einzelprojekten unterstützen. OHB SE zum Beispiel entwickelt mit Electra einen fortschrittlichen Telekommunikationssatelliten mit einem rein elektrischen Antriebssystem, der weniger als drei Tonnen Gewicht haben wird. Dadurch würden die Startkosten reduziert, was den Satelliten wiederum für neue Anwender interessant macht.
Deutschland und speziell auch Bremen haben im Bereich der robotischen Exploration bereits eine Führungsrolle. Diese sollte in Zukunft durch eine entsprechende Beteiligung Deutschlands bei den Robotik-Programmen gesichert und ausgebaut werden.
In welchen Projekten oder Programmen könnte Bremen die Robotik-Expertise zum Beispiel einsetzen?
Die Vermeidung und Beseitigung von Weltraummüll ist ein Thema, dass uns immer stärker ereilen wird. Das hat nicht nur eine europäische, sondern eine globale Dimension. Es wird darum gehen, Regeln zu definieren, dass Müll erst gar nicht entsteht. Zweiter Punkt ist die Erfassung und Vermessung des bereits bestehenden Mülls und die Vermeidung von Unfällen. Und drittens geht es um die Frage: Was machen wir damit? Einfangen, kontrolliert verglühen lassen oder in einen sicheren Orbit transferieren? Durch die Kompetenz in der Robotik und durch das bei ATV gewonnene Know-how bietet Bremen bereits Technologien dafür, die man weiterentwickeln kann und sollte. Hier hat zum Beispiel Airbus Defence and Space mit dem Bau des Europäischen Servicemoduls (ESM) begonnen. Das ESM ist ein Schlüsselelement von Orion, ein Raumfahrzeug der nächsten Generation, mit dem die NASA erstmals seit dem Ende des Space-Shuttle-Programms wieder Astronauten ins All befördern wird.
Es stellt sich die große Frage nach dem Weltraumrecht: Wem gehört welcher Müll eigentlich? Und wer ist für die Beseitigung verantwortlich bzw. muss dafür zahlen?
Andererseits ist auch nicht immer klar, wer zum Beispiel einen alten Satelliten wegräumen „darf“, wenn er im Weg ist. Bei Schäden haftet zurzeit das Land, in dem der Start stattgefunden hat. Aber die transferieren die Haftung dann an das Auftraggeber Land – es wird also noch sehr spannend, diese rechtlichen Fragen und Lizenzverfahren zu klären.
ie sehen Sie die Zukunft des Raumfahrtstandorts Bremen?
Sehr positiv, denn wir haben in Bremen alles, was ein Raumfahrtstandort braucht. Drei Unternehmen im Bereich Großindustrie, drei Hochschulen, viele Zulieferer, einige Unternehmen als verlängerte Werkbank für elektrische oder mechanische Leistungen, außerdem Forschungsinstitute wie DFKI, DLR, Fraunhofer und ZARM. Diesen Status Quo zu halten ist das Minimum, eine Ausweitung unser Ziel. Dazu müssen wir noch mehr informieren und koordinieren, damit alle Beteiligten am Standort enger zusammenarbeiten und gemeinsam Potenziale ausschöpfen. Wir müssen noch mehr gemeinsam im Sinne des gesamten Standorts und nicht nur im Interesse der einzelnen Unternehmen denken.
Sie waren Ende September auf dem International Astronautical Congress (IAC) 2016 in Mexiko. Welche Funktion hatten Sie dort als Bremer Landeskoordinator für Raumfahrt?
Der IAC ist ein zentraler Treffpunkt für die Entscheider der Branche, seien es Wissenschaftler, Agenturen oder Unternehmen. Ich habe dort in erster Linie Teilnehmer als auch Aussteller für den IAC 2018 in Bremen geworben. Zum anderen habe ich auf dem IAC Gelegenheit, mit den politischen Entscheidern aus Deutschland zu diskutieren, auch das ist wichtig. Als Landeskoordinator ist es meine Aufgabe, viele Gespräche zu führen, um die Interessen der Bremer Raumfahrt zu vertreten, aber auch Informationen beispielsweise über neue Technologien, Entwicklungen oder Programme zu sammeln und an den Bremer Senat, den Bürgermeister und die WFB zu berichten.
Landeskoordinator für Raumfahrt der Freien Hansestadt Bremen ist Dr. Peter Vits, Tel. 0151 510 55 374, peter.vits@t-online.de
Weitere Informationen über Innovationen in der Raumfahrt erhalten Sie bei Dr. Barbara Cembella, Clustermanagerin Raumfahrt, Tel. 0421 9600-340, barbara.cembella@aviaspace-bremen.de.
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