Völlig schwerelos: Die Industrie fasst Fuß im All
Luft- und RaumfahrtKommerzielle Labor-Plattform für Internationale Raumstation ISS wird in Bremen gebaut
Bisher ist die wissenschaftliche Arbeit auf der Internationalen Raumstation ISS durch die Grundlagenforschung geprägt. Zehn Jahre nach Inbetriebnahme des in Bremen gebauten Columbus-Labors sieht Airbus Defence and Space die Zeit für kommerzielle Nutzungen gekommen. Dafür wird die in Bremen entwickelte Plattform „Bartolomeo“ in Stellung gebracht.
„Bartolomeo“ bietet Industrie Zugang zum Weltall
Die Industrie bekommt einen exponierten Platz im All. Im Sommer 2019 will die europäische Raumfahrtagentur ESA am europäischen Teil der Internationalen Raumstation ISS eine Plattform für Experimente aus der Wirtschaft installieren lassen. Der 1 Meter mal 1,20 Meter große „Balkon“ wird der Anfang für ein weiteres Vorrücken industrieller Anwendungen in den Weltraum sein. „Es ist an der Zeit, die Wirtschaftszone der Erde auf die niedrigen Umlaufbahnen auszudehnen“, sagt Akos Hegyi, Chef des Bereichs ISS Services im europäischen Raumfahrtkonzern Airbus Defence and Space. In dessen Bremer Werk wird die Plattform „Bartolomeo“ derzeit für 20 Millionen Euro aus Eigenmitteln gebaut.
Bartolomeo war der jüngere Bruder von Columbus, der dem ebenfalls in Bremen gebauten europäischen ISS-Labor den Namen gab. Airbus will die neue Plattform auf eigene Kosten in Partnerschaft mit der ESA betreiben. Nach den Vorstellungen der Industrie könnte ab 2024 sogar die gesamte ISS zu großen Teilen industriell betrieben werden. Solche Pläne gibt es bereits bei der amerikanischen Weltraumagentur NASA.
Aufwand für Forschung im All sinkt
Bislang ist die wissenschaftliche Arbeit an Bord der ISS durch Projekte aus der Grundlagenforschung geprägt. Zehn Jahre nach der Inbetriebnahme des Columbus-Labors sieht Hegyi die Zeit für verstärkte industrielle Nutzungen gekommen. In den USA greifen kommerzielle Aspekte bereits, beispielsweise hat die NASA den Bereich Logistik und Transport in die private Hand des Raumfahrtunternehmens SpaceX gelegt. Der notwendige Betriebsaufwand sei deutlich geringer geworden, meint Hegyi. Teure Kontrollzentren etwa würden im digitalen Zeitalter überflüssig, stattdessen könne die Bodeninfrastruktur in den Cloud-Speicher gelegt werden, also die Daten im Internet hochgeladen werden. „Experimente lassen sich auf diese Weise vom Schreibtisch aus steuern und kontrollieren. Das senkt die Kosten und erweitert den Nutzerkreis“, so Hegyi.
Plattform kostengünstiger als eigene Satelliten
Die Entwicklung und der Bau von „Bartolomeo“ war 2016 von Airbus in einem Ideenwettbewerb der ESA vorgeschlagen worden. Die Plattform kann bis zu zwölf verschiedene Module mit Experimenten aufnehmen, versorgt sie mit Energie und stellt die Datenübertragung zur Erde her. Beispielsweise könnten von der Plattform aus Erdbeobachtungen oder auch Messungen von Stickoxid- oder CO2-Konzentrationen in der Erdatmosphäre vorgenommen werden, wie sie im Zusammenhang mit dem Klimaschutz erforderlich sind. „Die Nutzung der Plattform kostet erheblich weniger als der Start eines eigenen Satelliten für diesen Zweck“, argumentiert Hegyi.
Zeitlich unbegrenzte Experimente
Gut vorstellbar sind für ihn unter anderem auch Tests neuer Technologien in der Erdumlaufbahn. In der Vergangenheit hatte es zwar bereits industrienahe Experimente in der Metallurgie-Forschung gegeben – doch die Flüge mit Höhenforschungsraketen dauerten jeweils nur wenige Minuten, während Experimente am Columbus-Labor zeitlich nahezu unbegrenzt sind. Als kommerzielle Plattform öffnet „Bartolomeo“ darüber hinaus den Zugang für eine wesentlich breitere Nutzerbasis, insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen.
Ab 2024 soll die Wirtschaft die ISS ganz übernehmen
Schon in wenigen Jahren könnte die ISS voll mit derartigen Experimente sein. Sowohl die NASA als auch Industrie-Unternehmen wie Airbus können sich eine kommerzielle Weiterverwendung der Raumstation vorstellen, wenn deren öffentlich geförderte Dienstzeit 2024 endet. Technisch sei das kein Problem, ist Hegyi überzeugt. Grundsätzlich bewege sich astronautische Raumfahrt zwar an den Grenzen des Machbaren, aber „die ISS läuft stabil und kann ruhigen Gewissens in die Hand der Industrie gegeben werden“. Die NASA bereite die amerikanische Industrie bereits auf die Übernahme der ISS vor, weiß Hegyi.
Der ESA-Ministerrat hat allerdings noch nicht einmal der Finanzierung des Betriebs von 2020 bis 2024 zugestimmt. Für die nächste Konferenz Ende nächsten Jahres sieht der Airbus-Experte Hegyi deswegen große Entscheidungsnotwendigkeiten: „Neben den Budgets bis 2024 steht auch die Verlängerung bis 2028 und die Frage eines effizienten Betriebs und der Nutzung an.“
Pressekontakt:
Siegfried Monser, Airbus Communications Business Partner, Space Systems, Tel.: +49 421 539 5815, E-Mail: siegfried.monser@airbus.com
Weitere Informationen zum Luft- und Raumfahrtstandort Bremen finden Sie hier auf unserer Seite.
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Foto 2: Die „Bartolomeo“-Plattform außerhalb von „Columbus“. © Airbus
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