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22.2.2019 - Anne-Katrin Wehrmann

Neue Arbeitswelt: Jeder darf Verantwortung übernehmen

Erfolgsgeschichten

Das Bremer Unternehmen Traum-Ferienwohnungen hat klassische Hierarchien abgeschafft

Wie lässt sich Arbeit so organisieren, dass es möglichst wenig Reibungsverluste gibt und die Beschäftigten ihr volles Potenzial einbringen können? Das Bremer Online-Portal Traum-Ferienwohnungen fand eine ungewöhnliche Lösung: Die Abteilungen kommen ohne Chefs aus und bestimmen eigenverantwortlich, wie sie die Aufgaben erledigen.

Teams, die sich selbst organisieren – bei Traum-Ferienwohnung wird das Konzept umgesetzt
Teams, die sich selbst organisieren – bei Traum-Ferienwohnung wird das Konzept umgesetzt © Traum-Ferienwohnungen GmbH

Vom Start-up zum mittelständischen Unternehmen

Angefangen hat alles mit zwei Bremer Studenten. Sie erstellten in ihrer Freizeit Internetseiten zur Vermittlung von Ferienwohnungen. Der eine, Sebastian Mastalka, für eine Wohnung seiner Mutter. Der andere, Nicolaj Armbrust, für private Vermieter in seiner Heimat, der Lüneburger Heide. Doch auf den einzelnen Seiten waren nur wenige Besucher unterwegs. So kamen die beiden auf die Idee, einen gemeinsamen Internet-Auftritt für die verschiedenen Anbieter zu gestalten. 

Das war im Jahr 2001 – das Online-Portal Traum-Ferienwohnungen war geboren. Nach einigen Jahren Home-Office mieteten die Gründer 2007 an ihrem Studienort Bremen das erste Büro an. Heute hat das Unternehmen mehr als 140 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ist in einem 2000 Quadratmeter großen Loft in der Bremer Überseestadt untergebracht.

Schnelles Wachstum bringt neue Herausforderungen 

Dass ein so rasantes Wachstum Auswirkungen auf die Art der Zusammenarbeit hat, liegt auf der Hand. „Als wir 20 Mitarbeiter hatten, haben wir gemerkt, dass die internen Prozesse schwerfällig wurden“, berichtet Geschäftsführer Nicolaj Armbrust. Es wurden Abteilungen eingeführt, in denen zunächst klassischerweise Abteilungsleiter das Sagen hatten. Irgendwann waren 60 Kolleginnen und Kollegen für das Unternehmen tätig, und Armbrust stellte fest, dass das Arbeiten bürokratisch geworden und die Kommunikation zwischen den Abteilungen ins Stocken geraten war. „Genau das wollten wir nie“, macht der 38-Jährige deutlich. „Wir wollten immer agil sein und schnell reagieren können, das hat uns von Anfang an erfolgreich gemacht.“ Seine Befürchtung damals: Sollte sich die Zahl der Beschäftigten erneut verdoppeln, könnte das System endgültig an seine Grenzen geraten. Was also tun?

Der Weg zum selbstorganisierten Team

Die Geschäftsführer entschieden sich für einen ungewöhnlichen Weg. 2014 ließen sie ein Team zusammenstellen, dem außer ihnen beiden sechs demokratisch gewählte Beschäftigte angehörten. Die Abordnung diskutierte mit einem externen Coach alle Schwierigkeiten. Es stellte sich heraus, dass neben dem drängenden Problem der mangelnden Kommunikation zwischen den Abteilungen, auch der eigentliche Fokus aus dem Blick geraten war. „Das hängt mit unserer konkreten Situation zusammen, dass wir mit Urlaubern, privaten und gewerblichen Vermietern ganz unterschiedliche Zielgruppen haben, die wir alle anders ansprechen müssen und die alle andere Bedürfnisse haben“, berichtet Armbrust. 

Innovative Umstellung trägt Früchte

Am Ende war klar: Das Team wollte eine Rückkehr zur Selbstorganisation, wie es sie in der Anfangszeit gegeben hatte – verbunden mit der Abschaffung der Fachabteilungen. Sie wurden durch Teams ersetzt, die für die einzelnen Zielgruppen zuständig sind. Seither gibt es keine formalen Führungspositionen mehr, die Teams steuern ihre Arbeit selbst. Wer in bestimmten Bereichen Verantwortung übernehmen möchte, darf das tun: Es wird aber niemand dazu gezwungen. „Natürlich gab es bei vielen zuerst Ängste und Sorgen“, räumt der Geschäftsführer ein. „Aber letztlich sind alle mitgezogen, weil sie den Sinn dahinter gesehen haben – auch die Abteilungsleiter, die plötzlich auf Einfluss verzichten mussten.“ Zwar sei der Prozess anstrengend gewesen. Er habe sich aber gelohnt, da die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nun wieder näher am Kunden seien. Dank eigener Entscheidungsbefugnisse könnten sie schneller reagieren und seien im Job zufriedener.

Zusammen mit seinen Beschäftigten entwickelte Geschäftsführer Nicolaj Armbrust die selbst organisierte Struktur.
Zusammen mit seinen Beschäftigten entwickelte Geschäftsführer Nicolaj Armbrust die selbst organisierte Struktur. © WFB/Focke Strangmann

Beschäftigte können selbst Entscheidungen treffen

Die Beschäftigten von Traum-Ferienwohnungen profitieren bereits von den neuen Strukturen. „Es ist hier noch einmal mehr wie eine große Familie geworden“, sagt Catharina Grimm, die seit über fünf Jahren für das Unternehmen arbeitet. Im Zuge der Umstellung wechselte sie von der Abteilung Support ins Team Private Vermieter Kundenbetreuung. „Der Prozess hat uns alle zusammengeschweißt“, betont sie. Die Aufgaben des Tagesgeschäfts verteilt ihr Team nun nach Vorlieben und Kompetenzen – wie die anfallende Arbeit zu erledigen ist, regeln die Mitglieder untereinander. Die 28-Jährige hat unter anderem die Schichteinteilung übernommen: „Weil ich darauf Lust habe“, wie sie sagt. Früher seien ihre Aufgaben schon festgelegt gewesen, wenn sie zur Arbeit gekommen sei. Heute sei sie viel flexibler und könne auch selbst Entscheidungen treffen. „Das wissen die Kunden zu schätzen – sie müssen jetzt nicht mehr auf eine Antwort warten, weil zuerst der Abteilungsleiter gefragt werden muss.“

Eingeleiteter Prozess geht weiter

Nicolaj Armbrust und sein Kompagnon Sebastian Mastalka gehen davon aus, dass der Veränderungsprozess nie abgeschlossen sein wird. „Wir entwickeln uns ja immer weiter, und darum müssen wir immer wieder unseren eigenen Weg suchen, der zu uns passt und mit dem sich die Mitarbeiter wohlfühlen.“ Aktuell ist vorgesehen, in Absprache mit den Teams doch wieder eine Unternehmensführung zu bilden, die die Rahmenbedingungen setzt und die Gesamtstrategie vorgibt. „Damit wollen wir die Teams entlasten. Sie sollen nicht mehr entscheiden müssen, was sie machen – sie sollen sich wieder darauf konzentrieren können, wie sie es machen“, erläutert Armbrust. 

“Umstellung bringt ganz viel Positives“

Für andere junge Unternehmen hat er den Tipp, die Selbstorganisation aus der Anfangszeit gleich beizubehalten, um die Agilität nicht zu gefährden. Bei größeren und alteingesessenen Unternehmen mit klassischer hierarchischer Führung sei die Etablierung demokratischer Strukturen etwas schwieriger: „Da ist es sicher sinnvoller, die Selbstorganisation erst in Teilbereichen einzuführen und Erfahrungen damit zu sammeln. Aber auch für diese Unternehmen wird das viele Vorteile mit sich bringen, denn es macht ganz viel Positives mit den Mitarbeitern.“

Wie sieht die Arbeit der Zukunft aus?

Die Abkehr von klassischen Führungsmustern, die Einführung demokratischer Unternehmensstrukturen und der Blick auf die Zufriedenheit der Beschäftigten sind Themen, die in der Wirtschaft immer mehr Bedeutung gewinnen. Ein Beispiel dafür ist auch das Innolab des Autokonzerns Mercedes-Benz, das ebenfalls in der Bremer Überseestadt angesiedelt ist. Mehrere Doktoranden beschäftigen sich hier mit der Frage, wie die Arbeit der Zukunft aussehen könnte – wobei das Innolab als Forschungsort, Experimentierplatz und Weiterbildungsstätte zugleich angelegt ist. Bandarbeiter und Buchhalterin bei Mercedes können sich nicht selbst aussuchen, welche Arbeit sie wann und wie machen. Aber: „Auch diese Personen haben wertvolle Ideen, die ein Unternehmen nutzen muss, um in Zukunft zu überleben“, betont Christo Papanouskas von der Agentur Assassin Design, die das innovative Projekt begleitet und berät. Doch wie lässt sich das in der Praxis ausgestalten? Was bedeutet die Digitalisierung für die Arbeitsplätze? Und welche Aufgaben werden Führungskräfte künftig haben? Fragen wie diese sind es, zu denen die Doktoranden im Innolab forschen. (Anmerkung der Redaktion: das Innolab ist geschlossen)


Pressekontakt:

Wiebke Wegner, Leiterin Kommunikation Traum-Ferienwohnungen GmbH, Telefon: +49 421 14629-766, E-Mail: wegner@traum-ferienwohnungen.de


Bilddownload: 

Das Bildmaterial ist bei themengebundener Berichterstattung und unter Nennung des jeweils angegebenen Bildnachweises frei zum Abdruck.

Foto 1: Teams, die sich selbst organisieren – bei Traum-Ferienwohnung wird das Konzept umgesetzt © Traum-Ferienwohnungen GmbH

Foto 2: Zusammen mit seinen Beschäftigten entwickelte Geschäftsführer Nicolaj Armbrust die selbst organisierte Struktur. © WFB/Focke Strangmann


Der Pressedienst aus dem Bundesland Bremen berichtet bereits seit Juli 2008 monatlich über Menschen und Geschichten aus dem Bundesland Bremen mit überregionaler Relevanz herausgegeben von der WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH. Der Pressedienst aus dem Bundesland Bremen arbeitet ähnlich wie ein Korrespondentenbüro. Bei den Artikeln handelt es sich nicht um Werbe- oder PR-Texte, sondern um Autorenstücke, die von Journalisten für Journalisten geschrieben werden.

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