Deutscher Meister von der Weser
LebensqualitätCricket boomt bundesweit – Eine Frau etablierte den männerdominierten Sport in Bremen
Cricket hat in Deutschland bislang ein Schattendasein geführt. Das ändert sich gerade. In Bremen hat eine Frau in der männerdominierten Sportart das Sagen – mit Erfolg. Ihre Herrenmannschaft wurde 2016 Deutscher Meister im Cricket.
Für „ihre“ Jungs ist Nisar Tahir wie eine Mutter. Sie hat immer ein offenes Ohr. „Alle respektieren mich“, sagt die 47-Jährige mit pakistanischen Wurzeln. Sie ist auch wie eine Mama stolz auf ihre Jungs. Und das zu Recht: Die Cricket-Herrenmannschaft der Sportgemeinschaft (SG) Findorff in Bremen ist amtierender Deutscher Meister und der Spieler des Jahres kommt aus ihren Reihen. Das ist Nisar Tahirs Verdienst. Denn ohne sie gäbe es kein Vereins-Cricket in der Hansestadt. Sie hat die Abteilung vor wenigen Jahren aufgebaut und leitet sie bis heute. Damit ist die quirlige Frau bundesweit eine Ausnahme in der männerdominierten Sportart.
Flüchtlinge lassen Cricket in Deutschland boomen
Für die meisten Deutschen ist Cricket ein Buch mit sieben Siegeln, dennoch erfährt der Sport hierzulande gerade einen gewaltigen Boom: Vor fünf Jahren zählte der Deutsche Cricket-Bund bundesweit noch 1.500 organisierte Spieler in 70 Teams, inzwischen sind es über 4.000 Spieler in mehr als 200 Mannschaften. Der Grund sind die Flüchtlinge und Zuwanderer: So wie in England ist Cricket in den Ländern des Staatenbundes Commonwealth of Nations Indien, Pakistan und Sri Lanka – aber auch in Afghanistan – äußerst populär.
„Wo können wir das spielen?“
Nisar Tahir kennt Cricket ebenfalls aus ihrer Heimat. Die Sportart hatte für sie schon immer eine große Bedeutung „In Pakistan läuft Cricket Tag und Nacht im Fernsehen“, sagt sie. Als Kind warf und schlug sie selbst die Bälle, bevor sie als Elfjährige mit ihrer Familie nach Bremen kam. In der neuen Heimat hatten andere Sportarten Priorität; ihre Töchter spielen Tennis. Ihr ebenfalls aus Pakistan stammender Mann Muhammad war aber ebenfalls schon immer begeistert von Cricket und verfolgt auch in Bremen gerne Partien im Fernsehen. „Unsere Töchter saßen dabei und fragten irgendwann: Wo können wir das spielen?“ Für Nisar Tahir war das der Auslöser, Cricket in Bremen zu etablieren.
Spieler haben Wurzeln in Indien, Pakistan und Afghanistan
Die medizinische Fußpflegerin machte einen Trainerschein beim Landessportbund und leitete in der Schule ihrer Töchter, der Oberschule Findorff, eine Cricket-AG. „Jetzt spielen meine Töchter nicht nur Tennis, sondern auch Cricket“, lacht sie. Doch sie wollte noch mehr Menschen für den Ballsport begeistern. Beim SG Findorff durfte sie schließlich 2013 eine Cricket-Abteilung gründen. „Man wollte etwas Besonderes“, sagt Nisar Tahir, die die Mädchen und Frauen trainiert und auch selbst im Damenteam spielt. In der Herren-Mannschaft, die von Iftikhar Khan geleitet wird, spielen nun durchweg Sportler mit Wurzeln in Indien, Pakistan und Afghanistan. Einige von ihnen nehmen eine weite Anfahrt in Kauf, um in Bremen trainieren zu können. Denn manche arbeiten oder studieren in Oldenburg oder Vechta.
Spieler des Jahres kommt von der SG Findorff
Auch Hamid Wardak hat einen weiten Weg zum Training; er lebt mit Frau und kleinem Sohn in Bremerhaven. Der 29-Jährige ist mit der SG Findorff nicht nur Deutscher Meister, sondern auch Spieler des Jahres 2016. Seine Leistungen hatten die Zuschauer besonders beeindruckt. Ein Wunder ist das nicht: In Pakistan und Afghanistan war er Profispieler. Als Kind war er mit seiner Familie zunächst vor dem Bürgerkrieg in Afghanistan nach Pakistan geflüchtet. „Cricket wird da von jedem geliebt“, erzählt er.
Früher Beruf – heute Hobby
Als erfolgreicher Sportler verdiente er in Pakistan gut. Doch die Korruption im Cricket-Verband missfiel ihm. Enttäuscht verließ er vor knapp sechs Jahren Pakistan. Er folgte seiner deutschen Frau nach Bremerhaven. „Ich wollte eine bessere Zukunft“, erzählt Hamid Wardak in perfektem Deutsch. „Ich bin froh, hier die Chance zu haben, alles erreichen zu können.“ Er absolvierte eine Ausbildung zum Informatik-Kaufmann, zurzeit arbeitet er als Dolmetscher für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. „Cricket ist jetzt nur noch mein Hobby“, sagt er. Es ist eine sehr zeitaufwändige Freizeitbeschäftigung, denn der 29-Jährige gehört auch der deutschen Nationalmannschaft an.
Flüchtlinge zum Training eingeladen
Cricket sei für die Spieler aus Pakistan oder Afghanistan so etwas wie eine Heimat, sagt Nisar Tahir. Vor allem gilt das für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die durch ihre Initiative zur SG Findorff kamen. Die Bremerin war in der Hochzeit des Flüchtlingsstroms gezielt in die Unterkünfte gegangen und hatte dort gefragt, wer Lust hätte im Verein zu trainieren. Das Interesse war groß. „Ich habe sie am Anfang abgeholt und wieder zurück gebracht“, erzählt Nisar Tahir. „Sie waren richtig aufgeregt.“ Drei der so angeworbenen Flüchtlinge sind in der Herren-Mannschaft, die 2016 Deutscher Meister geworden ist.
Cricket als Integrationsmaßnahme
Ein großer Erfolg, findet die 47-Jährige. Denn es war ihr immer wichtig, dass „ihre“ Flüchtlinge das Training auch zur Integration nutzten. „Hier wird deutsch gesprochen“, sagt sie resolut. Auch deutsche Verhaltensregeln will sie vermitteln. Sie besteht darauf, dass man sich zur Begrüßung und zum Abschied in die Augen guckt und die Hand gibt. Und sie brachte einigen das Kochen bei. Einer ihrer Schützlinge hat gerade die Lizenz zum Übungsleiter bestanden. „Darauf bin ich sehr stolz“, sagt die Abteilungsleiterin. Cricket boomt schließlich und Trainer werden gesucht.
Mehr Informationen gibt es unter http://cricket.sg-findorff.de/
Pressekontakt: SG Findorff, Cricket Abteilung, Nisar Tahir, Tel. 0176 63 82 24 32, Cricket@sg-findorff.de
Bilddownload
Das Bildmaterial ist bei themengebundener Berichterstattung und unter Nennung des jeweils angegebenen Bildnachweises frei zum Abdruck.
Foto 4: Der Nationalspieler Hamid Wardak wurde zum Spieler des Jahres 2016 ernannt © Focke Strangmann
Der Pressedienst aus dem Bundesland Bremen berichtet bereits seit Juli 2008 monatlich über Menschen und Geschichten aus dem Bundesland Bremen mit überregionaler Relevanz herausgegeben von der WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH. Der Pressedienst aus dem Bundesland Bremen arbeitet ähnlich wie ein Korrespondentenbüro. Bei den Artikeln handelt es sich nicht um Werbe- oder PR-Texte, sondern um Autorenstücke, die von Journalisten für Journalisten geschrieben werden.
Bei Fragen schreiben Sie einfach eine E-Mail an pressedienst@bremen.de.
Erfolgsgeschichten
Er sorgt dafür, dass sich das Publikum in wenigen Augenblicken in einer Szene orientieren kann: Weit mehr als hundert Filmproduktionen hat der Bremer Szenenbildner Dennis Duis schon begleitet und dabei mit Bildern und Stimmungen die jeweilige Welt geschaffen, in der die Handlung spielt. Eines seiner jüngsten Projekte wurde mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet.
Mehr erfahrenIm 17. Jahrhundert gegründet, noch heute aktiv: Einige Bremer Unternehmen sind älter als die Vereinigten Staaten von Amerika. Vor allem die starken Bremer Sektoren wie Logistik, Schifffahrt und Lebensmittelhandel warten mit besonders traditionsreichen Beispielen auf.
Mehr erfahrenWeserstadion, Seebühne oder Bremen Information, an immer mehr Orten steht die Karte als Zahlungsmittel an erster Stelle. Das spart Zeit, Geld und kommt auch bei Kundinnen und Kunden gut an. 6 Mythen rund um Bargeld und Kartenzahlungen – und warum sie ausgedient haben.
Mehr erfahren