Den Geheimnissen der Tiefsee auf der Spur
WissenschaftWarum Wissenschaftler heiße Quellen am Meeresboden erforschen
Heiße Quellen, Unterwasservulkane und rauchende Schlote in der Tiefsee: Welchen Einfluss haben sie auf die Ozeane? Professorin Dr. Andrea Koschinsky von der Bremer Jacobs University sucht im Rahmen eines internationalen Forschungsprojekts nach Antworten.
Erstaunliche Unterwasser-Landschaften
Das Leben am Meeresboden ist in vielen Teilen noch unerforscht. Kein Wunder: Erst die Entwicklung von Tauchrobotern hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass sich die unbekannte Tiefseewelt mehr und mehr der Wissenschaft erschließt. Forscher stoßen nun immer wieder auf erstaunliche Unterwasser-Landschaften und Lebensräume: Neben Korallen und unvermutetem bunten Leben in tausenden Metern Tiefe zeigen sich an vielen Orten auch ganze Vulkan- und Kraterlandschaften mit rauchenden Schloten und sprudelnden heißen Quellen.
Forschungsreise nördlich von Neuseeland
Was sie ausstoßen und mit welchen Auswirkungen – das waren einige der Forschungsfragen einer Expedition, die die marine Geochemikerin Andrea Koschinsky vor wenigen Monaten nördlich von Neuseeland auf dem Forschungsschiff „Sonne“ leitete – und die sie im heimischen Labor an der Jacobs University Bremen weiter beschäftigen wird. Die untersuchte Region zählt zu den geologisch aktivsten der Welt, in der sich zudem Eruptionen in nur wenigen hundert Metern Tiefe abspielen. Wo 2010 beispielsweise noch ein großer Vulkankegel kartografiert wurde, sahen die 39 Wissenschaftler der Expedition jetzt nur noch eine 90 Meter hohe Lavasäule.
150 Kilo einzigartige Gesteinsproben im Gepäck
Dank der Tauchgänge des unbemannten Unterwasserroboters „Quest“ des Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen (Marum) konnten neben diesen Bildern auch rund 150 Kilo Gesteinsproben und über 100 Lösungen gesammelt werden, die jetzt eingehend untersucht werden. „Es sind einzigartige Proben, sie sind sehr schwer zu bekommen“, sagt Professorin Koschinsky.
„Der Ozean ist für Menschen ein ganz wichtiges Ökosystem“
Anhand dieser will die Geochemikerin gemeinsam mit ihren Mitstreitern herausfinden, welche Stoffe die heißen Quellen abgeben und wie sie Prozesse im Meer beeinflussen. Wozu? „Weil der Ozean für Menschen ein ganz wichtiges Ökosystem ist“, erläutert die 53-Jährige. „Er ist Rohstoff- und Nahrungsquelle und er ist für das Klima relevant.“ Dass die Ozeane riesige Kohlendioxid-Speicher und damit Klimapuffer sind, ist bekannt. Doch wie genau die Zusammenhänge sind, ist in vielen Teilen noch unklar. Biologen, Geologen, Physiker und Chemiker tragen mit ihrer Forschung Mosaiksteine zum Verständnis des großen Ganzen bei.
Extreme Metallkonzentrationen
Forscher wie Andrea Koschinsky interessieren sich insbesondere für die metallhaltigen Lösungen, die die heißen Quellen ins Meer abgeben. Um nachzuvollziehen, wie sich etwa Eisen im Meerwasser verteilt, wurden Proben in unterschiedlichen Tiefen und Entfernungen zur Quelle genommen. Denn anders als lange vermutet, lagern sich die Metalle nicht in deren unmittelbarer Umgebung ab, sondern sind auch in anderen Wasserschichten und weiter entfernt zu finden. Im Geochemielabor des „Ocean Lab“ der Jacobs University durchlaufen die Proben jetzt das Massenspektrometer. Das Gerät entschlüsselt, aus welchen Elementen die Lösung besteht und zu welchen Anteilen.
Ein langer Weg bis zum wissenschaftlichen Beweis
Schon jetzt zeigt sich: Einige Proben weisen mit die eisenreichsten Lösungen auf, die global bisher gefunden wurden, so Koschinsky. Eisen fördert das Wachstum von Plankton, was wiederum Kohlendioxid aus der Atmosphäre bindet. „Es könnte ein entscheidender Faktor im Klimapuffersystem des Ozeans sein“, formuliert Koschinsky eine Annahme der Wissenschaftler. Doch bis zum Beweis ist es noch ein langer Weg. Ein erster Schritt wird sein, die Verbreitungswege des Eisens im untersuchten Gebiet durch die chemische Kartierung nachzuweisen. Ziel ist es, auf dieser Grundlage zuverlässige Berechnungsmodelle zu entwickeln.
Kupfer, Zink, Gold: Begehrte Rohstoffe in der Tiefsee
Interesse weckt zudem die Tatsache, dass auch Spurenmetalle wie Kupfer, Zink, Gold und Silber in den Lösungen in sehr hohen Konzentrationen vorkommen. Dass eine Vielzahl an Lebewesen mit diesen Konzentrationen leben kann, ist für Biologen interessant. „Für die meisten Organismen an Land und im Meer sind sehr hohe Metallgehalte giftig. Die Organismen in den heißen Quellen haben aber Wege gefunden, mit den Extrembedingungen umzugehen.“ In einer früheren Untersuchung hatte die Professorin bereits festgestellt, dass Muscheln die Spurenmetalle im Körper einlagern und auf diese Weise entgiften.
Tiefseebergbau: Auch für Wissenschaftler wichtiges Thema
Doch das Metallvorkommen ruft auch Verwertungsmöglichkeiten auf den Plan. „Es gibt durchaus ein Rohstoffinteresse“, bestätigt die Wissenschaftlerin. Tiefseebergbau ist ein Thema, dem sich Wissenschaftler vermehrt stellen müssen. „Sicherlich möchten wir nicht den Bergbau unter Wasser fördern, als Wissenschaftler sind wir neutral. Aber die Frage muss im gesellschaftlichen Kontext gesehen werden. Wir versuchen sachliche Argumente und damit die Grundlage zu liefern, auf der Andere dann nachhaltige Entscheidungen treffen können.“
Crew trifft sich im September in Bremen
Das Bundesforschungsministerium fördert das Projekt mit rund einer Million Euro; an acht Forschungseinrichtungen in Deutschland wird derzeit gemeinsam an den Proben und Messdaten der Expedition geforscht. Auch neuseeländische, französische und US-amerikanische Partner waren mit an Bord, um eigene Forschungen in dem Gebiet zu unternehmen. Im September soll das erste Nachtreffen in Bremen stattfinden, um Auswertungsergebnisse zusammenzutragen und die nächsten Schritte festzulegen.
Auf hoher See: Forscherromantik ade
Für Andrea Koschinsky ist Forschung eine Herzensangelegenheit. Mit einer Illusion muss die Wissenschaftlerin indes aufräumen: Während der Forschungsreisen verbringt sie die Tage oftmals nicht an, sondern unter Deck – und zwar vor dem Bildschirm. Forschungsromantik ade. Ein Robotertauchgang dauere zwölf Stunden, den die Crew in einem Konferenzraum an Monitor und Leinwand verfolge, erklärt sie. Dennoch versteht sie das Forschen vor Ort als „einen Luxus für kurze Zeit, den man sonst im Alltag nicht hat“. Eine Expedition erlaube ein sehr fokussiertes Arbeiten. Nach der Rückkehr warten neben der Forschung wieder Lehrtätigkeit und Berufsalltag. „Man möchte natürlich gern möglichst schnell weitermachen und die Proben untersuchen“, sagt die Professorin, „aber da holt einen die Realität schnell wieder ein.“ Forschung braucht eben einen langen Atem.
Pressekontakt:
Jacobs University Bremen gGmbH, Professorin für Geowissenschaften Prof. Dr. Andrea Koschinsky, Tel.: 0421 200 35 67, E-Mail: a.koschinsky@jacobs-university.de
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