Die Wundheilerin
WissenschaftBremer Professorin erforscht Therapie zur Vermeidung von extremen Brandnarben
Die Bremer Ärztin Ursula Mirastschijski hat schon viele schlimme Hautverbrennungen gesehen. Zum Beispiel bei Kleinkindern, die sich großflächig an Kopf und Brust mit kochend heißem Wasser verbrüht hatten. Um unschöne Narbenwülste einzudämmen, müssen Patienten mitunter mehrere Jahre fest sitzende Kompressionsanzüge tragen. „Kinder mögen das nicht“, weiß die Fachärztin für Plastische Chirurgie, die lange am Brandverletztenzentrum der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) gearbeitet hat.
Dazu kommt, dass sich trotz des von den Jacken ausgeübten Drucks Narbenstränge nicht vermeiden lassen. „Solche Schicksale motivieren mich, neue Ideen zu entwickeln“, sagt Professorin Ursula Mirastschijski, die inzwischen am Klinikum Mitte als Oberärztin arbeitet und an der Uni Bremen forscht und lehrt. Eines Nachts hatte sie einen Gedanken, der die Brandwunden-Therapie revolutionieren könnte. Wenn alles gut läuft, könnte schon in einigen Jahren ein von ihr erforschtes Medikament auf den Markt kommen.
Blick über den Tellerrand eröffnet neue Möglichkeiten
Ihre Idee klingt auf den ersten Blick ungewöhnlich: Eine Substanz, die in der Lunge produziert wird, will sie als Wundheilungsmittel für die Haut verwenden. Das Gemisch benetzt die Oberfläche der Lunge und verhindert so, dass das Organ beim Ausatmen zusammenfällt. Frühgeborene können das sogenannte Lungensurfaktant noch nicht selbst bilden, deshalb wird ihnen die Substanz – von Schweinen oder Rindern gewonnen und gereinigt – in die Lunge gespritzt. Dadurch können die unreifen Babys leichter atmen. Die Seifenart ist aber auch wundheilungsfördernd und entzündungshemmend. Was würde passieren, wenn man sie nun auf die Haut von Brandpatienten verteilt, fragte sich die Wissenschaftlerin. Schließlich sind sich der Zelltyp der Haut und der der Lungenoberfläche ähnlich.
Begehrte Forschungsgelder für Brandverletztentherapie
Um Antworten auf diese Frage zu bekommen, beantragte sie Gelder und bekam im Jahr 2009 mit 1,3 Millionen Euro eine der größten EU-Forschungsförderungen im Rahmen des „European Research Councils (ERC)“. So genannte ERC-Grants gehören zu den begehrtesten Ausschreibungen für Grundlagenforscher. In jahrelanger Arbeit gelang es der heute 48-Jährigen zu beweisen, was sie geahnt hatte: Das Lungensurfaktant fördert die Heilung von Hautwunden – zumindest unter Laborbedingungen.
An eigenen Armen getestet
Weil die Ergebnisse ihrer Forschung so vielversprechend waren, bekam Ursula Mirastschijski 2016 ein Anschlussstipendium über 150.000 Euro, um das Arzneimittel in einer klinischen Studie auf der Haut von gesunden Freiwilligen testen zu können. Bevor es im Dezember 2016 zunächst mit fünf Probanden losging, testete die Oberärztin die Substanz mehrfach an ihren eigenen Armen. „Ich kann die Tests doch nicht anderen zumuten, wenn ich sie nicht bei mir gemacht habe“, begründet sie. Schließlich stecke sie sehr viel Herzblut in das Projekt.
Sie produzierte künstlich eine Blase an ihrem rechten und eine an ihrem linken Arm und trug diese ab. Auf die eine Wunde kam eine Kochsalzlösung, auf die andere die Lungensubstanz. Die mit dem Arzneimittel verheilte schneller. Deshalb ist sie zuversichtlich über den Verlauf der Studie. „Im Anschluss sollte das Medikament vermarktungsfähig sein“, glaubt Professorin Mirastschijski. Zunächst sucht sie aber noch weitere Probanden zwischen 18 und 60 Jahren. „Die Hauttests sind ungefährlich und schmerzlos“, betont die Wissenschaftlerin.
Bisher keine Nebenwirkungen bekannt
Sie rechnet fest damit, dass ein Pharmaunternehmen Interesse haben wird, das von der Uni erworbene Patent zu kaufen. Denn bisher gibt es ihren Angaben zufolge nur sehr wenige Medikamente für die Wundheilung. „Und das Beste: Die Substanz ist bereits als Arzneimittel zugelassen und hat bisher keine Nebenwirkungen gezeigt.“ Bis zu fünf Jahre würde es dann noch einmal dauern, bis das Medikament auf dem Markt ist.
Das scheinbar Unmögliche umsetzen
Ihren Wechsel von Hannover an die Uni Bremen und das Klinikum Bremen Mitte hat die Medizinerin nie bereut – im Gegenteil: „Hier finde ich genau die richtigen Voraussetzungen, um das scheinbar Unmögliche in die Realität umsetzen zu können.“ Zwar habe die Uni keine klassische medizinische Fakultät habe.
Durch die gute Kooperation mit dem städtischen Klinikum können wir aber auf dem Niveau einer Uniklinik wissenschaftlich und klinisch arbeiten.
Prof. Dr. med. Dr. phil. Ursula Mirastschijski, Universität Bremen und Klinikum Bremen-Mitte
Wunden fehlt Sauerstoff
Unterdessen forscht die Wahl-Bremerin auch in anderen Bereichen weiter. In ihrer täglichen Arbeit begegnen ihr immer wieder chronische Wunden, die einfach nicht heilen wollen. Als Beispiel nennt sie offene Beine bei Gefäßverkalkungen. „Den Wunden fehlt für die Heilung Sauerstoff“, sagt Mirastschijski. Von der Volkswagen-Stiftung bekam die Forscherin 100.000 Euro, um menschliche Hautzellen mithilfe von Blaualgen so zu verändern, dass sie selbst Sauerstoff produzieren. Für das Projekt holte sie sich Experten aus anderen Fachgebieten dazu: Professor Michael Vellekoop vom Fachbereich Physik/Elektronik entwickelt für sie Mikrosensoren zur Sauerstoffmessung. Und Professorin Anja Waite vom Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung bringt ihre Erfahrung mit Blaualgen in das Projekt ein. „Wenn man über seinen Tellerrand schaut, eröffnen sich plötzlich ganz neue Möglichkeiten“, betont Ursula Mirastschijski. Selbstverständlich sei so eine fachübergreifende Zusammenarbeit nicht. Für sie selbst sei das interdisziplinäre Arbeiten aber wichtig: „Man muss offen sein.“ Sonst seien visionäre Innovationen kaum möglich.
Kontakt: Prof. Dr. med Dr. phil Ursula Mirastschijski, Universität Bremen, Fachbereich Biologie/Chemie, Centrum für Biomolekulare Interaktionen, Tel. 0421 218-63224, mirastsc@uni-bremen.de
Mehr Informationen zu den Untersuchungen gibt auf der Website der Universität Bremen sowie in einer Pressemitteilung der Universität Bremen zur Forschung von Prof. Dr. med. Dr. phil. Ursula Mirastschijski.
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Foto 1: Prof. Dr. med. Dr. phil. Ursula Mirastschijski © Pressedienst Bremen
Foto 2: Prof. Dr. med. Dr. phil. Ursula Mirastschijski mit Probandin © Pressedienst Bremen
Foto 3: Regina Bolte (l.) und eine Testperson bei der Untersuchung © Pressedienst Bremen
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Vor seiner Pensionierung war er wissenschaftlicher Geschäftsführer des Instituts für Interkulturelle und Internationale Studien sowie Leiter des Arbeitsbereich Wahlen und Parteien am Institut für Politikwissenschaft. Heute engagiert er sich beim Hannah Arendt Institut für politisches Denken und führt außerdem seine Forschung im Bereich "Regieren und Politik in Bremen" fort.
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