Paddeln an Land - zwei Bremer Studenten erfinden das Radfahren neu
WissenschaftPaddeln an Land
Es gibt Erfindungen, die sind so genial wie naheliegend, da fragt man sich: Wieso erfindet das jemand erst jetzt? So wie beim Paddelfahrrad, das zwei Bremer Studenten entwickelt haben.
Kai Eggemann ist leidenschaftlicher Paddler. Mit zehn Jahren begann er mit dem Kanu-Sport im Verein, inzwischen betreibt er ihn als Leistungssportler. Für die ist der Winter eine eher trostlose Zeit; wenn die Gewässer gefroren sind, geht es im Training auf das Ergometer – in geschlossenen Räumen anstatt nach draußen in die Natur. Für Outdoor-Sportler ist das meistens eher spaßfrei.
Wie lange nun die Idee schon in Kai Eggemann schlummerte, hier Abhilfe zu schaffen, lässt sich nicht mehr genau rekonstruieren. Die Paddelwelt kann sich wohl aber glücklich schätzen, dass der Maschinenbaustudent in seinem Masterstudium eine Projektidee brauchte. Gemeinsam mit seinem Kommilitonen Michael Meyer-Coors machte er sich also ein Jahr lang daran, ein Paddelfahrrad zu entwickeln.
Mit Seilzug und Fußpedal
Rund 3 Meter lang, 1,20 Meter breit, knapp 40 Kilo schwer: Das sind die Maße des Trainingsgeräts auf drei Rädern, das jetzt vor Kai Eggemann zum Abfahren bereit steht. Sein Erfinder setzt sich in den Schalensitz, stellt die Füße auf, greift zum Paddel und beginnt es – wie sonst im Kajak – zu bewegen. Per Seilzug gelangt die Kraft bis ins Hinterrad und setzt die Räder in Bewegung. Das Seil surrt und wird lauter, als Eggemann den Paddelschlag erhöht. Lenken kann er per Fußpedal. „So, wie im Rennboot auch.“
Bislang gibt es nur diesen einen Prototypen, doch das soll sich ändern: Eggemann will das Paddelfahrrad produzieren und vertreiben. Daran hatten die beiden Entwickler lange keinen Gedanken verschwendet: Sie hatten über Konstruktion, Materialauswahl und Funktionalität gebrütet. Als sie das Paddelfahrrad dann per Demo-Video erstmals im Internet präsentierten, überraschte sie die große Resonanz. 200.000 Klicks folgten. Sportler nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus den USA, aus Großbritannien und Frankreich wollten wissen, ob sie es bestellen könnten.
Die meisten fanden es supertoll und wollten es direkt haben.
Kai Eggemann, Erfinder des Paddelfahrrads
Der Tenor: Ergometer fahren ist langweilig, endlich hat mal jemand eine Alternative entwickelt. Selbst Brandungspaddler aus Australien waren – unter ganz anderen klimatischen und sportlichen Bedingungen – interessiert an dem Gerät. Und spätestens als die ukrainische Nationalmannschaft eine konkrete Bestellanfrage geschickt habe („Wir konnten nicht liefern, weil wir noch keine Geräte produziert hatten und mitten im Studium waren“), sei klar gewesen: Hier lässt sich mehr draus machen. Von einem Leser erfuhr Eggemann noch, ein Holländer habe in den 1990er Jahren einen ähnlichen Versuch gestartet, das Trainingsgerät aber am Ende nie produziert.
Unternehmensgründung startet
„Man würde sich ärgern, wenn man es jetzt nicht probiert“, sagt der Bremer Entwickler nun nach Abschluss seines Masters. „Es ist in jedem Fall eine gute Erfahrung.“ Im Bremer Förderprogramm für Unternehmensgründungen von Hochschulabsolventen „BRUT“ wird er jetzt zwölf Monate lang unter anderem zu Themen wie Marketing, Vertrieb und Betriebswirtschaft geschult.
Man lernt viele Sachen, die im Studium nicht vorkommen. Das ist eine gute Basis.
Kai Eggemann, Erfinder des Paddelfahrrads
Weil sein Kompagnon eine Anstellung angenommen hat, startet er die Unternehmensgründung allein, wäre aber nicht abgeneigt, „wenn ein Partner oder ein Investor mit einsteigen würde.“
Viel ist in den nächsten Monaten noch zu klären: wo zu welchen Kosten produziert wird, wie die Geräte vertrieben, die Finanzierung und Vermarktung bewerkstelligt werden können. Ziel ist, im Spätsommer bei den Deutschen Meisterschaften das Trainingsgerät zu präsentieren und Vorbestellungen aufnehmen zu können. Wenn bis Ende 2016 die Internetseite steht und ein verkaufsfertiges Produkt am Markt ist, dann ist er richtig zufrieden.
Mit dem Entwicklungsstand des Paddelfahrrads ist Kai Eggemann schon jetzt zufrieden. Am PC hatten sie es konstruiert, berechnet, dann wurden Teile bestellt, andere maßgefertigt und nach den Konstruktionsplänen zusammengebaut. „Das hat auf Anhieb geklappt“, zeigt er sich noch etwas überrascht über die nahezu reibungslose Entwicklung. An einigen Stellen wie etwa der Seilhalterung wurde ausgebessert, aber das war’s. Inzwischen ist das Gerät selbst mit Reflektoren und Klingel ausgestattet und wäre verkehrstauglich, so Eggemann. „Ich wüsste zumindest nicht, was dagegen sprechen würde.“ Ein Patent haben sie nicht auf ihre Entwicklung. Aber selbst wenn andere nun in die Nische springen, ist Eggemann gelassen. „Wir müssen einfach sehen, dass wir das Beste machen.“ Möglichkeiten der Weiterentwicklung, zum Beispiel in Richtung Leichtbau, gebe es sicherlich. Doch jetzt soll erst einmal der Prototyp auf den Markt.
Ein Porsche unter den Freizeitgeräten
Nicht nur als Trainings-, sondern auch als Freizeitgerät könnte sich Eggemann das Paddelfahrrad vorstellen. Doch ihm ist klar, dass der Preis eine entscheidende Rolle bei der Nachfrage spielen wird. Viele Bauteile seien Einzelanfertigungen, entsprechend hoch der Aufwand bei der Produktion: „Knapp 4.000 Euro muss es schon kosten.“ Dass sich damit Training und sportliche Leistungen optimieren lassen, davon ist er überzeugt – auch aus eigener Erfahrung. Vergangenen Sommer ist der 27-Jährige erstmals ins Finale des 200-Meter-Rennens bei den Deutschen Kanu-Rennsport-Meisterschaften gekommen. Das Einzige, was er in der Vorbereitung verändert hatte, war im Winter auf dem Paddelfahrrad zu trainieren. Der Spielraum sei größer als bei einem Kanu-Ergometer, erklärt Eggemann. Es bietet elf Gänge, mit denen variabel auf Kraft und Ausdauer trainiert werden kann.
Es ist ein innovatives Trainingsgerät.
Kai Eggemann, Erfinder des Paddelfahrrads
Regatten werden im Winter gewonnen, heißt es im Kanusport. Warum also hat noch niemand zuvor das Paddelfahrrad auf den Markt gebracht? „Das habe ich mich auch schon gefragt“, sagt Kai Eggemann und lacht, „wahrscheinlich, weil es so viel Aufwand ist.“
Ein Video vom Paddelfahrrad gibt es unter www.youtube.com/watch?v=X_7aAb_9vwI
Pressekontakt: Kai Eggemann, Tel. 0176 – 81 24 48 45, kai.eggemann@web.de
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